31. August 2015

Aus dem Cockpit

Es ist Trockenzeit in Mount Hagen und ich freue mich auf meine drei Flugtage. Mit dem Managementteam ist vereinbart, dass ich zwei Tage pro Woche im Büro aushelfe. Aber wenn ein Pilot gebraucht wird, bin ich auch auf Abruf bereit.

Das Flugprogramm aus Mount Hagen heraus bedient unter anderem einen kleinen Bereich im Nord-Westen von Mount Hagen. Mount Hagen liegt auf 1800 Meter über dem Meer, mitten im zentralen Gebirgszug, der das Land beinahe in der Mitte von West nach Ost durchzieht. Mein Fluggebiet liegt noch mitten in diesem Gebirgszug. Die durchschnittlichen Flugsektoren sind 20 Minuten lang und enthalten minutenlange Steig- und Sinkflüge. Ein normaler Flugtag hat 7 bis 9 Landungen und dauert ca. 8 bis 9 Stunden bei etwa 2,5 bis 4 Flugstunden.

Am Mittwoch den 26. August soll ich eigentlich ein kurzes Programm fliegen, weil offiziell Feiertag war und das Flugzeug für eine kurze Überprüfung noch in die Werkstatt sollte, bevor es zu einer anderen Base überführt wird. Der große Vorteil von Mount Hagen ist, dass die MAF Werkstatt am selben Flugplatz stationiert ist und so die Wege zu den Mechanikern kurz sind.

Mein Programm an diesem Tag sah wie folgt aus: Rum, Yenkisa, Labalama, Kompiam, Rum, Pyarulama und wieder zurück nach Mt Hagen.

Nach meiner Landung in Yenkisa ist klar, dass ich das Programm so nicht zu Ende fliegen kann. In Yenkisa begrüßt mich der Krankenpfleger, der in Vertretung die Frachtpapiere für meinen Weiterflug vorbereitet hat. Normalerweise haben wir an jedem Landeplatz einen einheimischen, offiziellen MAF Agenten aus dem Dorf. Ausgerechnet heute musste dieser allerdings in den Busch gelaufen sein und kommt vielleicht erst in ein paar Tagen wieder. So etwas passiert ab und zu.

Ich kontrolliere die Frachtpapiere des Krankenpflegers und sehe, dass ich keine Chance habe, alle acht Passagiere in meinen kleinen Airvan (GA8) mit sechs Sitzen zu laden. Eine Familie mit vier Kindern und einem Baby, dazu ein Passagier, der unbedingt mitfliegen muss, weil er am nächsten Tag einen Flug zur Landeshauptstatt hat, der Krankenpfleger selber, der zum Training nach Kompiam fliegen soll und ein weiterer Passagier, der bei einem Kampf im Dorf seinen rechten Unterarm gebrochen hat.

Ich überlege lange, denn die Familie wartet bereits seit vergangener Woche auf einen Flug nach Kompiam.

Ich kontrolliere den Kraftstoffvorrat und rechne die verbleibenden Flugminuten aus. Das Wetter ist gut mit viel Sonne und wenig Wind. Ich entscheide, den variablen Reservekraftstoff von 30 Flugminuten zu nutzen, um den Leuten zu helfen. Doch bevor ich starten kann, muss ich ganz sicher sein, dass der Kraftstoff für die anderen Strecken auch noch reicht. Ich will zwei zusätzliche Landungen einbauen und fliege von Yenkisa direkt nach Kompiam, um die Familie abzuliefern. Danach will ich sofort wieder nach Yenkisa zurückfliegen, um die anderen Passagiere nach Labalama und Mount Hagen zu fliegen.

Als ich in Kompiam ankomme, hatte ich keine Ahnung, was mich dort erwartet. Weil ich mein Programm geändert hatte, wusste niemand, wohin ich als nächstes fliege. Der einheimische MAF-Agent spricht mich gleich an und fragt, ob ich drei Passagier nach Yenkisa und zwei nach Labalama mitnehmen kann. Die einheimische Schichtleiterin des Krankenhauses in Kompiam kommt in einem Geländewagen angerast und fragt, ob ich zusätzlich zwei Medizinpakete mit insgesamt 26 Kilogramm nach Labalama transportieren kann.

Ich studiere die Frachtpapiere, die der MAF Agent schnell zusammenstellt und rechne meine verfügbare Ladekapazität aus. Es passt alles rein, aber mit einem kurzen Aufenthalt und sofortigem Rückflug wird es nichts. Die beiden Passagiere nach Labalama sind noch im Krankenhaus. Einer der beiden ist die Begleitperson für einen schwerkranken Einheimischen, bei dem der Doktor eine nicht heilbare Leberzerrose festgestellt hat. Er soll in sein Dorf zurückfliegen, um im Kreise seiner Familie zu sein. Ich sage der Schichtleiterin, dass sie die Passagiere so schnell wie möglich bringen soll. 20 Minuten später sind alle Passagiere da und ich starte wieder zurück nach Yenkisa.

Ich bin froh, den schwerkranken Passagier in sein Heimatdorf zurückfliegen zu können, aber ich bin besorgt um die Zeit, die ich bei diesem Einsatz verloren habe.
In Yenkisa lade ich schnell die Passagiere für Labalama und Mount Hagen ein und starte gleich, um die verlorene Zeit aufzuholen. In Labalama steigt der schwerkranke Passagier aus Kompiam aus. Sofort beginnt das laute Klagen der Familienangehörigen, die sich auf ihre eigene Art jetzt schon von ihrem Familienmitglied verabschieden.

Es geht weiter nach Rum, wo ich einen Passagier abhole, den ich am gestrigen Flugtag aus Gewichtsgründen nicht mitnehmen konnte. Er möchte nach Mount Hagen, bekommt aber noch eine zusätzliche Landung in Pyarulama mit. Pyarulama ist mit ca. 9% Steigung eine Herausforderung. Auch dort habe ich einen zusätzlichen Passagier mit Fracht für Mount Hagen, den ich ebenfalls am gestern zurücklassen musste.

Es wird später als mir lieb ist und wir starten nach Mount Hagen. Der Flug dauert nur 20 Minuten, aber am frühen Nachmittag sind die Winde stärker. Zeitweise wird es so turbulent, dass ich die Fluggeschwindigkeit um ein vViertel reduzieren muss. Die Berge um Mount Hagen herum sind ca 2000 m hoch und produzieren eine Menge Verwirbelungen.

Bei der Landung herrscht der zurzeit übliche starke Seitenwind. Ich lande so vorsichtig, wie ich kann, damit der Passagier mit dem gebrochenen rechten Unterarm sich nicht noch zusätzlich abstützen muss.

Nach dem Ausladen rolle ich die Maschine vor die MAF Werkstatt. Unser Mechaniker wartet schon. Er hat sich auf eine frühere Rückkehr eingestellt, und muss jetzt Überstunden einlegen, damit die Maschine für morgen wieder zur Verfügung steht.


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