15. Mai 2010

Ein Morgen in der Schule

Donnerstagmorgen 8 Uhr gingen wir in die Schule. Wir wollten gern bis zur großen Pause mal den Unterricht in Moropote beobachten. Begonnen wurde mit der Nationalhymne und mit Gebet. Vielleicht würde das unserem deutschen Nationalbewusstsein und unserer eigentlich christlichen Kultur in Deutschland auch wieder neu gut tun, den Unterrichtstag so zu beginnen. Aber stattdessen verbannen wir alles christliche immer mehr aus unserem öffentlichen Alltag. Da liegt bestimmt kein Segen drauf! Dann folgen ein paar Bewegungsübungen. Die Lehrerin gibt Kommandos wie Aufstehen, hinsetzen, Arme hoch, ein Arm hoch, beide Arme hoch, Arme runter usw. Auf Tok Pisin und anschließend auf Englisch. Das ganze ist gleichzeitig auch Sprachtraining. Denn in ihren Familien wachsen die Kinder in der Regel mit der Stammessprache, dem sog. Tok Ples auf. In der Elementary School (Klassen 1-3) wird auf Tok Pisin unterrichtet und gleichzeitig die englische Sprache eingeführt. Diese spielerischen Übungen werden immer wieder in den Unterricht eingestreut.
So kam es dann irgendwann, dass auch ich gefragt wurde, ob ich irgendwas mit den Kindern machen wolle in Sachen Englisch. Head, Shoulders, Knees and Toes … das Lied habenw ir dann gemeinsam gesungen und uns entsprechend bewegt. Die Kids hatten mächtig Spaß und kamen am Ende kaum noch hinterher, als das Tempo schneller wurde.
Den ersten Teil des Unterrichtsvormittags wurde viel rezitiert und gemeinsam gesprochen und gelesen. Anfangs ein Bibelvers, den die Kinder in einem Buch mitlasen. Die Lehrerin erklärte noch ein wenig die Bedeutung. Anschließend wurden sämtliche Tafelanschriebe und Lernplakate, die im Schulraum hingen, im Chor gelesen: Das Alphabet als Lautschrift, als Buchstabennamen und sogar als Phonetisches Alphabet, ein Anlautalphabet, Lautbeispiele der englischen Vokale mit Beispielwörtern, die Monatsnamen.
Danach wurde gemeinsam ein Storybook gelesen. Die Geschichte einer Entenfamilie auf Tok Pisin. Die Lehrerin las vor, danach die Kinder wieder im Chor, erst gemeinsam, dann die Mädels, dann die Jungs und am Schluss noch mal alle. Und wieder die Frage an uns, ob wir noch was machen wollen. Jetzt war Mathias dran – bei allen im Dorf und auch bei den Kinder eher bekannt als Pailot ;o)
Das Phonetische Alphabet war ein guter Impuls, den Kindern bisschen was aus der Fliegerei zu erzählen und ihnen zu erklären, dass jedes Flugzeug einen eigenen Namen hat. Schnell ist ein Flugzeug an die Tafel gemalt und den Kindern erklärt, an welcher Stelle sich die Namen des Flugzeuges befinden. Wir sind tags zuvor gekommen mit MFL – Mike, Foxtrott, Lima. Ein anderes Flugzeug heißt MFK. Wer kann den Namen lesen? Es dauert ziemlich lang, bis sich manche Kinder trauen, etwas zu sagen. Die Lehrerin flüstert von hinten … Mathias muss die Lösung selbst bringen. Ein weiteres Flugzeug, welches gerade von Australien nach Papua Neuguinea geflogen wird, hat folgenden Namen: MFM. Wer kann ihn lesen? … Wir merken, dass es den Kindern sehr sehr schwer fällt, das Auswendiggelernte anzuwenden und in die Praxis umzusetzen, wenngleich alles an der Tafel steht. Ein Kind schafft es dann schlussendlich doch, den richtigen Namen zu nennen: Mike, Foxtrott, Mike. Nun ist es auch nicht mehr lang bis zur großen Pause. Wir schenken der Schule noch einen Volleyball, der freudig entgegengenommen und sofort warmgespielt wird. Einerseits denken wir, dass hier mit wenigem viel gemacht wird. Das Dorf kann dankbar sein, dass eine Lehrerin einen Mann aus Moropote geheiratet hat und wohl auch längerfristig unterrichten wird an der Schule. Ihr Mann passt derweil auf das sechs Monate alte Baby auf. Die Ausstattung ist mit denen unserer deutschen Schulen kaum zu vergleichen. Andererseits liegt der Schwerpunkt auf dem Auswendiglernen. Die Anwendung und der Transfer fehlen. Die Lehrerin meint auch, dass es sehr viele sog. Langsamlernen in der Klasse gibt. Frühförderung in Elternhaus und Kindergarten, so wie wir es in Deutschland kennen, gibt es in PNG nicht. Kinder wachsen hier auf und werden von Anfang an in die Routinen des täglichen Überlebens eingebunden: Gartenarbeit, Wasserholen etc.

Da wir einen Tag später wie geplant abreisten, nutzen wir den Montagmorgen nach der Pause noch einmal für einen Besuch in der Schule. Mathematik stand auf dem Plan. Auch hier wieder: erst wurden sämtliche im Schulraum hängenden Lernplakate im Chor durchgesprochen. Die Zahlen von eins bis hundert vorwärts und rückwärts, dann sogar die Zahlen nach dem Schema „Zahl – Buchstabieren des Zahlwortes – Zahl“. Waren wir vielleicht froh, dass nach 20 Schluss war! Weiter gings mit Umrechnungen in Bezug auf Zeit und Kalender und Additionsaufgaben im Zahlenraum bis 20. Uns war schnell klar, dass es mit Kopfrechnen nicht weit her sein kann. Das bestätigte sich dann auch schnell, als die Lehrerin wissen wollte, was 12+8 ist. Großes Schweigen. Sie verwies auf die Zuhilfenahme der Rechenstäbe: 12 abzählen, 8 abzählen, alle zusammen abzählen. Nun ja, nicht wirklich förderlich… Mandy machte dann auch spontan eine längere Einheit zu den Additionsaufgaben mit dem Ergebnis 10 – eine Basiskompetenz der Zahlzerlegung und des Kopfrechnens. Erst Erklärung mit entsprechend anschaulichem Tafelanschrieb, anschließend Demonstration der Zahlzerlegung mit 10 Kindern als „Anschaungsmaterial“, danach Anwendung im sog. Eckenrechnen, einem kleinen Rechenwettstreit mit jeweils vier Kids. Das machte den Kindern Spaß! Aber viele tun sich echt schwer, anstelle der Ergänzungszahl zu Zehn nannten sie den Vorgänger und Nachfolger… Hier gibt es wirklich noch viel zu tun in Sachen Rechenkompetenz! Nicht nur für die Schüler, sondern wie ich den Eindruck hatte auch in Sachen Fachdidaktik für die Lehrer. Zu guter Letzt sollten die Kids den Tafelanschrieb ins Heft übertragen. Auch das schien für manche eine große Herausforderung zu sein. Kinder, deren Eltern noch kein Schulgeld gezahlt hatten, mussten auf eine Schiefertafel schreiben; konnten sich also nicht mal die Sachen mit nach Hause nehmen zum Lernen. Am Dienstag dann am Flugplatz, als Martin uns nachmittags abholte, waren natürlich auch die Kinder zur Stelle. Ich fragte sie nach den Zehnerzahlen – wieder nur Raten. Wie enttäuschend!

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