Land und Leute

Offenheit

Mit Philipp Sutter habe ich am Montag noch einen Einweisungsflug auf einer neuen Strecke gemacht: Vanimo – Amanab. Unser Flugzeug wurde von einer Dorfgemeinschaft im Busch gechartert um einen Sarg zu transportieren. Das Mulmige bei diesem Flug war, dass der Sarg aus 4 mm Sperrholz zusammengenagelt war und der Deckel sich einen kleinen Spalt löste. Da kommt schon die Frage, was man sieht, wenn der Deckel ganz abspringt… Sehr beruhigend war die Aussage, dass der Leichnam zusätzlich in einem Sack steckte. Überprüft habe ich das nicht, aber vielleicht hätte ich es sollen…? Von Montag auf Dienstag habe ich in Vanimo übernachtet: Ein einheimischer Missionar der Evangelischen Brüdergemeinde EBC hat uns freundlich empfangen. Eine einfache Bretterbude mit zwei Sofagestellen ohne Sitzauflagen war genug um zusammen zu sitzen und zu reden. Der Missionar hat ein offenes Haus und missioniert unter Indonesiern, die über die nicht weit entfernte Grenze nach Vanimo kommen um Geschäfte zu machen. Hier gibt es für uns Piloten immer eine offene Tür und eine Matratze unter einem Moskitonetz, falls wir einen Rückflug nach Wewak nicht mehr schaffen sollten.

Straßenschlacht und Bierparty

In diesem Haus wohnen wir, und zwar in der Wohnung unten rechts.Und steht man vor der Tür der Wohnung oben links und schaut über den Zaun, kann man das Geschehen auf dem Soccerfeld aus bester Perspektive mitverfolgen…

Sonntagnachmittag. Wir waren in der Stadt spazieren. Auf dem Rückweg sind wir noch fast in eine Straßenschlacht hineingekommen. Dabei sagte Mathias kurz vorher noch, dass er sich in Mt.Hagen wesentlich sicherer fühlt als bei seinem ersten Einsatz damals. Gegenüber von unserem Compound ist ein riesiges Soccerfeld. Am Wochenende spielen hier immer diverse Mannschaften gegeneinander. Ich frage mich immer, wie sie wissen, wer zu welcher Mannschaft gehört, da sie nur höchst selten gleiche Shirts anhaben. Jedenfalls wie wir so die Straße zu unserem Compound liefen, rannten auf einmal einige in die gleiche Richtung. Ein LKW, der scheinbar dort am Feldrand parkte, wollte losfahren. Die Leute griffen zu Steinen und bewarfen den LKW. Auch als dieser langsam Fahrt aufnahm, rannten die Leute hinterher und warfen Steine. Wir haben uns an den Zaun am Straßenrand gedrückt und hofften, keine Steine abzukriegen… Das ganze beruhigte sich so schnell, wie der LKW wegfahren konnte. Auf dem restlichen Stück Weg lachten uns die Leute an, amüsiert über die Szene gerade eben. Hm, was soll man dazu sagen? Was geht in den Menschen vor, dass sie von jetzt auf gleich so gewalttätig werden? Warum lassen sich alle von so etwas anstecken und machen mit? Für uns sind solche Szenen, die anscheinend jederzeit ausbrechen können und so schnell vorbei sind wie sie angefangen haben, unverständlich. Eine ähnliche Szene hat sich am Freitag irgendwo auf dem Highlands Highway zwischen Mt.Hagen und Goroka abgespielt: Ein Truck, beladen mit Bier, kam von der Straße ab und landet im Graben. Was machen die Leute? Die stürmen den LKW, brechen den geladenen Container auf und bedienen sich. Bierparty for free! Augenzeugen sage, fast jeder aus den drei umliegenden Dörfern war besoffen. Was kann diesem Land und den Menschen wirklich helfen, dass zu einem der korruptesten Länder der Welt gehört. Auch stand in der Zeitung, dass sich Port Moresby, die Hauptstadt zu einer der kriminellsten Städte der Welt entwickelt. Was feiert das Land, worauf kann es stolz sein, wenn es seinen Unabhängigkeitstag zelebriert? Viele Leute, die schon lange im Land sind oder hier aufgewachsen sind und nun auf einen Besuch kommen, sind enttäuscht und traurig, wie bergab es mit dem Land gegangen ist in den letzten Jahren. So sind auch wir gespannt, wie viel Entwicklung wir hier vor Ort mitverfolgen können und in welche Richtung diese geht. Manchmal könnte man wohl ziemlich frustriert das Handtuch werfen. Dann muss man wiederum auf die Menschen blicken, die nach vorne denken und sich für ihr Land engagieren oder auf die, die dankbar sind um jede Flugzeuglandung in ihrem abgeschiedenen Dorf, die Hilfe bringt oder der ersehnte Weg zum Arzt ist…

Nikolaus lässt grüßen

Wir haben gehört, Deutschland sieht weiß. Vom Erzgebirge bis zum Schwarzwald, über Wetzlar bis hoch nach Bremen. Cool! Ja, kalt ist es wohl auch. Hier nicht! Aber auch hier herrscht Weihnachtsstimmung, zumindest äußerlich. Die zwei roten Herren zieren das Dach unseres „ALDIs“ hier in Mt.Hagen. Noch eines dieser Pärchen steht auf einem anderen Supermarkt. Im Laden selbst stehen zwei tanzende Weihnachtsmänner und beim Einkaufen diese Woche habe ich sogar einen „echten PNG-Nikolaus“ gesehen: schwarze Haut und schneeweißer Bart. ;o)

HIV/AIDS in der Western Highland Province

Das ist eine Übersetzung eines der Zeitungsartikel zum Weltaidstag. Mt. Hagen ist die Provinzhauptstadt der Werstern Highlands und ich würde sagen, dass die Dunkelziffer sicher weitaus höher liegt, denn wer von den Papua Neuguinesen lässt sich schon auf HIV testen?
Bedenkliche HIV/AIDS Statistik in der Western Highlands Provinz Allein letztes Jahr infizierten sich ca. 6000 Menschen mit HIV, so die HIV-Regionalkoordinatorin der WHP auf einer Veranstaltung gestern in der Stadt. Nur knapp 1500 davon haben Zugang zu medizinischer Versorgung und knapp 1000 bekommen die ARV (anti retroviral drugs). Bezugnehmend auf das nationale Thema des HIV-Tages – Es ist unser Recht, HIV-Prävention, Behandlung, Versorgung und Support in PNG zugänglich zu machen – fragte sie, wenn dies denn Realität sein würde im Land. „Setzen wir, die Regierung und diverse Partners, die richtige Priorität, diesen Service zugänglich zu machen für all die betroffenen Menschen in den Dörfern und in den abgelegenen Regionen?“ Sie sagte, dass die ARV-Medizin in den Gesundheitsposten zur Verfügung stehen sollte, denn die armen abgeschiedenen Menschen würden viel Geld für Bustickets und andere Transporte ausgeben, um in den Städten die Medizin zu bekommen. Die Medizin sollte vor ihrer Haustüre zu erhalten sein. Sie beklagte, viele Menschen in der Provinz haben sich an einen sorglosen Lebensstil gewöhnt und sind dabei, die Epidemie weiter zu verbreiten.

Aus der Zeitung

Alleged sorcerers killed in Sandaun
Source: DULCIE OREKE
THREE men accused of using sorcery to kill several villagers in Framin village, Telefomin, Sandaun province, were brutally murdered by villagers last month.
Their bodies were buried in a single grave near where they were killed.
The men, all from Oksimin village, had earlier travelled out of the district to Tabubil without knowing that it would be their final trip, provincial police Commander Chief Insp Sakawar Kasieng said yesterday.
Insp Kasieng said it was during their return trip on Sept 7 that they met their fate.
A Framin villager had found out about the three men’s time of arrival and gathered at the airstrip to wait for them to arrive.
As the plane they were in touched down and drew to halt, the three men disembarked with other passengers but were immediately surrounded by the crowd and taken away.
At a spot away from the airstrip, the villagers used knives and axes to “butcher” the men and cut them into small pieces.
Insp Kasieng said the act was brutal and inhuman and very “cold blooded”.
He said the police had only received the report almost two weeks after the incident due to the non-availability of police in the area and investigations were also put on hold.
Lack of funds also prevented police from travelling into the area to investigate.
“We are not doing enough for the people because of funding problems,” Insp Kasieng said.
In a separate incident, police have also reported one man was killed after he was involved in a brawl with his friends at Dasi settlement in Vanimo.
It was alleged that the 35-year-old man was drinking with his friends when a fight broke out over an alleged drug deal.
The deceased was believed to have sustained two knife stab wounds in the heart before he collapsed and died on the spot.
The National, Friday, 2.Oct. 2009

Schwein gehabt!

Am vergangenen Freitag flogen wir unsere Twin Otter von Mt.Hagen über zwei Zwischenstopps zurück nach Goroka. Ich war diesmal Flugbegleiter und saß in der Kabine. Im Cockpit waren die beiden Twin Otter Kapitäne aus Goroka zugange. Richard hatte die Woche über in Mt. Hagen im Büro gearbeitet und wollte am Freitag wieder zu seiner Familie nach Goroka zurück. Greg kam mit mir zusammen einen Tag zuvor in Mt. Hagen an und musste genau wie ich übernachten, da unser Flugzeug in die Wartung musste und das Ersatz-Flugzeug noch nicht fertig war. So flogen wir zuerst Mt. Aue an und landeten danach in Karimui, ein gut ausgebauter Landeplatz mit viel Kaffeeanbau. Ich vermutete, dass wir Kaffeesäcke einladen würden, aber diesmal lag ich falsch. An der Parkposition wartete eine Gruppe von 11 Passagieren mit einem ganzen Berg an Gepäck. Da es wie aus Eimern regnete, wollte ich das Gepäck so schnell wie möglich in den Gepäckräumen verstauen und die Passagiere auf die Sitze verteilen. Aber alles zog sich in die Länge und ich wurde immer nasser. Die Frachtpapiere mussten ausgefüllt werden, die Flugtickets mussten bezahlt werden und das Übergepäck musste gewogen werden. Einen Teil des Gepäcks fand seinen Platz in der Kabine und wurde dort verzurrt, wo wir die Sitze hochgeklappt hatten. Es war meine Verantwortung, die Passagiere auf die Sicherheitsausrüstung und Notausgänge des Flugzeuges hinzuweisen. Schon bei der Begrüßung der Passagiere fiel mir die außergewöhnlich ausgelassene Stimmung auf. Ich bekam ein fröhliches „Apinun“, was so viel wie „Guten Tag“ bedeutet, als Antwort und jeder hörte aufmerksam den Ausführungen zu. Einige lächelten sogar. Als ich wieder auf meinem Platz in der Kabine saß und den Kopfhörer aufsetzte, konnte ich dem Gespräch zwischen den beiden Piloten im Cockpit folgen und die Puzzleteile setzten sich zu einem Gesamtbild zusammen: Die Passagiere sind Gäste einer Hochzeit und auf dem Heimweg in ihre Herkunftsdörfer. Es stellte sich heraus, dass der Ehemann mit dem Brautpreis ein wahres Geschäft gemacht hat. Von ursprünglich 60.000 Kina für seine Frau konnte er seinen zukünftigen Schwiegervater bis auf 4.000 Kina (ca. 1000 Euro) herunterhandeln und war sehr gerne bereit, ein paar Schweine als Beigabe zu schlachten. Natürlich blieben beim eigentlichen Hochzeitsfest ein paar gekochte Schweineteile übrig und landeten in weißen Kaffeesäcken, eingebunden als Frachtstücke in unserer Kabine. „Schwein gehabt“, dachte ich mir und wünschte mir ebenfalls 30 kg gekochtes Schweinefleisch für unseren Kühlschrank.

Good news and bad news

Dienstagmorgens treffen sich einige Whiteskinladys in einem Hotel zu Handarbeiten und Kaffeeklatsch (das Los einer Missionarsfrau!?!?!?…). Ich nutze die Möglichkeit meistens auch für einen Einkauf in der Stadt; das ist sicherer als zu Fuß… und eben auch bequemer ;o) Zwei „Geschichten“ von heute morgen: the good one: Auf dem Bürgersteig vorm Hotel verkaufen verschiedene Einheimische allerlei Handarbeiten und Souvenirs. Eine der Ladys flaniert an den Waren vorbei und plötzlich wird sie von hinten angesprochen: Ein Mann streckt ihr einen 50-Kina Schein entgegen. Der sei ihr gerade eben aus der Hosentasche geflattert. Wow! Das ist ungewöhnlich, passiert selten. Um so erstaunlicher. Als sie zurückkam meinte sie entsprechend: „You won´t believe it, …“ the bad one: Zzt. gibt es in PNG einige Gebiete, in denen die Cholera und die Ruhr ausgebrochen sind. Das ist ja schon schlimm genug. Aber heute erzählte eine Frau, dass entsprechende Hilfsmittel aus Australien zwar schnell nach Port Moresby geflogen wurden, aber der Beamte im Zoll sich 3 Tage Zeit gelassen hat, die Waren frei zu geben.

Kultur pur



und wir mittendrin! Heute und morgen findet die alljährliche Goroka-Show statt. Das heißt, viele verschiedene Volksgruppen präsentieren sich in ihren traditionellen Kostümen und mit ihren typischen Rhythmen und Tänzen. Es war total beeindruckend, wie die Menschen jeweils gekleidet bzw. geschmückt und bemalt waren, teilweise ziemlich aufwändig. Da kommt alles mögliche zur Verwendung, Naturmaterialien wie Gräser und Blätter, Muscheln, Federn, Schweinezähne – eben das Typische aus der Gegend, Perlen etc. Man wusste gar nicht, wo man zuerst hinschauen sollte. Das ganze zeigt, dass wir hier momentan in einem kulturell wirklich sehr bunten und reichen Land daheim sind. Auf diese Traditionen, insbesondere die Kostüme und die damit verbundene Handarbeit können die Papua Neuguienesen wirklich stolz sein und es bleibt zu hoffen, dass sie sich diese Identität bewahren. Nicht ausgeschlossen bleibt natürlich, dass mancher Tanz, manches Lied, manche Maske in Zusammenhang mit dem Geisterkult oder mit Kampfhandlungen steht. Und hier haben wir auch unsere Aufgabe und Verantwortung, den Menschen die Freiheit in Jesus Christus zu bringen und vorzuleben.